Kolumbien: Ein Kaffeeland im Sinneswandel
Kolumbien – das drittgrößte Kaffeeland der Welt. Seit die Jesuiten den Arabica Kaffee 1723 nach Kolumbien gebracht haben, ist Kaffee fester Bestandteil der kolumbianischen DNA. Doch momentan ist ein generationsübergreifender Sinneswandel zu beobachten: Der Trend weg von der Massenware hin zum Spitzenkaffee.
Für “Kaffee aus dem Herzen Kolumbiens” steht auch das Team von My Fair Network. Als junges Start-up aus Leverkusen hat My Fair Network es sich zur Aufgabe gemacht, die kolumbianische Kaffeewelt nachhaltiger und fairer zu gestalten. Dazu arbeiten sie mit kleinen und mittelständischen Familienbetrieben der kolumbianischen Kaffeewelt zusammen und vertreiben deren Kaffee hier in Deutschland. Was das Start-up dabei auszeichnet, ist vor allem, dass ihr „Network“ eine direkte Leitung nach Kolumbien hat: Den gebürtigen Kolumbianer Johnnatan Andrés Schüßler. Gemeinsam mit seinem Freund und Mitgründer Christian Buchwald hatte er auf einer Kolumbienreise die Idee, das Start-up zu gründen und sich für mehr Fairness, Nachhaltigkeit und Qualität in der kolumbianischen Kaffeewelt einzusetzen. Um ihrer Vorstellung von nachhaltigem Anbau in tropischen Regenwäldern gerecht zu werden, setzt das Team von My Fair Network nicht nur auf faire Arbeitsbedingungen, sondern auch auf einen biodiversen Agrarforst-Anbau. Damit wollen sie die, für die Tropen wahnsinnig schädliche, Monokultur bekämpfen und sich für mehr Diversität in der Flora und Fauna auf den Feldern einsetzen.
In ihrem Gastbeitrag im roestfrisch.com Magazin skizziert das Team von My Fair Network diesen Sinneswandel aus erster Hand und gibt uns exklusive Einblicke in das Leben zweier kolumbianischer Kaffeeproduzenten. Wird aus dem drittgrößten Kaffeeland schon bald das beste Kaffeeland?
Die Wurzeln der Kaffeesträuche: Hermann und die alte Generation
Es ist ein typischer Arbeitstag im Leben eines kolumbianischen Kaffee-Produzenten. Pünktlich zum Sonnenaufgang trifft Hermann um 5:30 Uhr auf der Finca von Don Alberto in der Gemeinde Palmira ein. Die Sonne geht zügig auf, es ist neblig, der Morgentau noch frisch. Um diese Uhrzeit hat Hermann schon eine lange und anstrengende Anreise hinter sich. Doch bei seiner Ankunft strahlt er. Der Eingang zur Finca wirkt auf ihn wie der Eingang zum Paradies. Das Grün der Tropenbäume und Farnen erschlägt einen nahezu. Man hört Tropenvögel zwitschern. Inmitten dieser wunderschönen Kulisse wartet bereits der Sohn von Inhaber Don Alberto vor dem Eingang, um Hermann zu den Feldern zu führen. So kurz vor der Erntezeit wirken die Kaffeefelder wie ein Feuerwerk an Farben: Zwischen all dem Grün blitzen die ersten roten Kaffeekirschen auf. Tropische Blumen wie Orchideen und Helikonen bringen pinke und gelbe Farbklekse ins Bild und locken noch dazu unzählige Bienen und Kolibris an. Überall wachsen Früchte wie Mangos, Orangen oder Guanabanas. Dann ist die Finca in Sichtweite: Eine kleine, bunte Hütte aus Holz und Lehm. „So sahen früher einmal fast alle Fincas aus“, seufzt Hermann. Für ihn ist genau diese Atmosphäre das, was die Welt des Kaffees ausmacht.

In den Genuss so eines idyllischen Anblicks kommt man leider bei weitem nicht auf allen Fincas, denn als drittgrößtes Kaffeeland der Welt ist Kolumbien vor allem für eins bekannt: Massenproduktion. „Seit 1956 wurde immer stärker auf Quantität statt Qualität gesetzt. Die Tropenbäume und Fruchtpflanzen mussten weichen für immer mehr Kaffeepflanzen. Zwei Generationen von Campesinos wurden dadurch geprägt“, erzählt Herman. Er selbst gehörte zu den ersten Kolumbianern, die während des bewaffneten Konflikts mit Guerillabewegungen, der zu dieser Zeit in Kolumbien herrschte, in jene Regionen gereist sind, die bereits durch die Armee gesichert wurden. „Auf dieser Reise fand ich Fincas, deren Kaffee einfach richtig lecker und aromatisch war wie ich es vorher nicht kannte. Der Unterschied war der traditionelle Anbau, da in diesen Regionen aufgrund des Bürgerkrieges noch nicht industriell angebaut werden konnte.“ In diesem Geschmack entdeckte Hermann seine Liebe zum Kaffee. Er wusste: Kolumbiens Kaffeewelt muss sich ändern. Kolumbien braucht Qualität statt Quantität. Doch Strukturen und Denkweisen aufzubrechen ist nicht einfach. Hermann sieht sich in dem Gebiet als Pionier. Viele Campesinos seiner Generation kennen nur den konventionellen Anbau und sind nur schwer von anderen Wegen zu überzeugen. Daher weiß er, dass er für einen dauerhaften Wandel auf die nachfolgenden Generationen angewiesen ist.
Der Weg zum Premiumkaffee: Fernando und die junge Generation
Auch junge Kaffeeproduzenten kommen zunehmend auf den Geschmack von nachhaltigem Kaffee. Der Trend zum Spitzenkaffee lohnt sich nämlich nicht nur für Konsumenten und Feldarbeiter, sondern auch für die Produzenten, die letztlich die wirtschaftliche Verantwortung tragen. Denn auch wenn der Weg zum Spitzenkaffee lang ist und mit hoher Produktqualität hohe Anforderungen einhergehen – am Ende des Tages wird er nicht nur durch besseren Geschmack, sondern auch durch höhere Preise belohnt.
Was für Anforderungen das sind, weiß Fernando Oka. Er ist kolumbianischer Kaffeeröster und Q-Grader und hat seine Microrösterei in Cali, der Hauptstadt des Bundeslandes Valle del Cauca. Von seinen 39 Lebensjahren ist Fernando bereits knapp 20 Jahre im Kaffeegeschäft und hat sich dabei mit seiner Rösterei auf den amerikanischen Spezialitätenkaffeemarkt fokussiert. Den Weg in Richtung Premium Kaffee eingeschlagen zu haben, bereut er keine Sekunde: „Heutzutage reden die Menschen viel über die Veredlung von Kaffee und optimale Röstkurven, aber der wichtigste Aspekt ist das Terrain und ein nachhaltiger Anbau. Wir müssen mehr auf die Natur achten und sie respektieren, um eine Balance in Richtung guter Qualität zu finden. Die Bohne beinhaltet das Potenzial der Finca und die Kunst des Röstens ist es, dieses Potenzial zu wecken.“

Im Laboratorium seiner kleinen Rösterei in Cali testet und bewertet der zertifizierte Q-Grader diese besonderen Kaffees nach den Standards der Speciality Coffee Association. Fernando Oka gehört zur neuen Generation von Kaffeeakteuren. Einer Generation, die auch beim Kaffeetrinken über den Tellerrand hinausschaut: „Volumen ist schön und gut, doch sind wir hier in Kolumbien eigentlich gesegnet und haben es gar nicht nötig, die Produktion auf reines Volumen zu trimmen. Wir haben die Höhenlagen, die wundervollen Böden, die tolle Natur und (noch) ausreichend Regenfälle und Wasser. Wieso nun so sehr auf eine Produktion gesetzt wird, die ähnlich wie bei industriellem Gemüse, einfach nur Masse, aber keinen Geschmack gibt, finde ich furchtbar“, sagt Fernando. „Der Markt und meine Kunden wollen ausgefallenen Aromen. Sie wollen die Augen schließen und mit jedem Schluck des schwarzen Goldes, auf eine Reise genommen werden. Die Zunge und der Gaumen sollen jubeln.“ Für Fernando Oka steht fest: Ein solch exquisiter Kaffee kann nur in einem biodiversen Agrarforstsystem angebaut werden. Und deshalb sieht er es in der Verantwortung seiner Generation darin, diese Message in der kolumbianischen Kaffeewelt zu verbreiten: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die älteren Campesinos nur schwer von außen beeinflussbar ist. Meistens sind es die Kinder, die ihren Eltern die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und des Bioanbaus aufzeigen.“ Die junge kolumbianische Generation ist dank sozialer Medien und der Digitalisierung viel stärker vernetzt und kennt die globalen Kaffeetrends dadurch deutlich besser. Gleichzeitig kommen mehr und mehr junge Kolumbianer nach einigen Jahren in Europa oder Nordamerika zurück in ihr Heimatland und bringen das Wissen aus erster Hand nach Kolumbien. „Mehr und mehr Fincas sind auf Instagram zu finden, viele der Rückkehrer, wie ich einer bin, haben ein gutes Verständnis von den Konsumgewohnheiten und Trends im Westen. Dieses Wissen machen sie sich auch im Kaffeehandel zu nutzen“, berichtet Fernando Oka.
Kolumbien: Ein Kaffeemarkt im Umbruch
Kolumbiens Kaffeewelt steht vor einem fantastischen Sinneswandel: Immer mehr Produzenten erkennen momentan die Notwendigkeit für einen nachhaltigen Anbau von Premium Kaffee. Auch wenn es keineswegs leicht wird, alte Gewohnheiten und Traditionen aufzubrechen - die Geschichten von Hermann und Fernando zeigen: Wenn beide Generationen Hand in Hand zusammenarbeiten, kann der Wandel zu einer nachhaltigeren Kaffeewelt in Kolumbien gelingen.
Obwohl die meisten Kaffeeproduzenten aus Hermanns Generation immer noch darauf fokussiert sind, möglichst viel Kaffee zu produzieren, beweist seine Geschichte, dass es nie zu spät ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen und umzudenken. Darin sieht er auch eine Verantwortung der jungen Generation gegenüber und stellt fest: „Die junge Generation wird dem Kaffeeanbau den Rücken kehren, wenn wir es nicht schaffen, sie dafür zu begeistern.“ Doch dass er das schafft, sieht man an seinem Geschäftspartner Fernando Oka. Fernando ist keine Ausnahme seiner Generation. Das Interesse der Jungen für Spezialitätenkaffee ist durch den Blick über den Tellerrand enorm gewachsen. Das gilt auch in Bezug auf ihr Verständnis für das Konsumverhalten in Europa und Nordamerika. Als „Digital Natives“ haben sie die Möglichkeiten, mit nur ein paar Klicks Direkthandel in alle Länder der Welt einzurichten. Eine Partnerschaft, die zeigt, wie’s geht. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass Kolumbien bald nicht nur das drittgrößte Kaffeeland der Welt ist, sondern auch das Beste.
Bildquellen: My Fair Network